Kommentar: Das Spannungsverhältnis von Meinungsfreiheit und Menschenrechten

Als Mitglied von „Bamberg bleibt bunt“, dem Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus, setzt sich der Stadtjugendring Bamberg für Demokratie, Offfenheit und Pluralität ein. Im nachfolgenden Kommentar erklärt uns Bündnismitglied Hubertus Schaller seine Sicht zu den aktuellen gesellschaftlichen Diskussionen:


Das Spannungsverhältnis von Menschenfreiheit und Menschenrechten

„Töte(t) Bill!“, fordert laut einer Abbildung im Fränkischen Tag (Ausgabe vom 27. Mai 2020) ein Demonstrant auf Englisch. Er beteiligt sich wohl an einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen der Staats- sowie der Bundesregierung. Seine Forderung kann ich auf seiner Maske gut lesen. Kurz phantasiere ich, wie er diese Tötung meinen könnte. Schrecklich! Das wäre ja so nicht wortwörtlich zu verstehen, wird er mir vermutlich versichern. Ich nehme ihm das auch ab. Denn hinter der Maske erkenne ich den sanften Metaller, den ich aus meiner Jugendarbeit noch gut kenne. Sehr wahrscheinlich wird er mir die Vorwürfe nennen, die er wie viele andere Mitdemonstrierenden gegen Bill (Gates) erhebt. Auf Nachfrage wird auch er mir keine gesicherte Informationsquelle nennen können. Darf er seine Meinung mit diesem Mordaufruf äußern?

Ich bin froh, dass wir in Deutschland das Recht auf Meinungsfreiheit haben. Es ist gut und wichtig, sich für das eine oder andere Interesse stark zu machen. Vielleicht prallen dabei unterschiedliche Meinungen aufeinander. Wenn man sich zudem noch gegenseitig zuhört und versucht, die Sichtweise des Gegenübers zu verstehen, dann ist dies m.E. Demokratie in Höchstform. Wird einer Meinung widersprochen, sollte man diesen Widerspruch nicht als Maulkorb verstehen. Zur Meinungsfreiheit gehört untrennbar auch die Widerspruchsfreiheit.

Was sichert mir das Recht auf Meinungsfreiheit? „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten…“ heißt es im deutschen Grundgesetz (Art. 5 GG (1)). Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR) unterstreicht dieses Recht in ihrem Artikel 19: „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinung und Meinungsäußerung; dieses Recht umfasst die Freiheit, sich Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu beschaffen, zu empfangen und zu verbreiten.“ (vgl. https://www.menschenrechte.jugendnetz.de/menschenrechte/artikel-1-30/artikel-19/)

Kann ich nun grenzenlos meine Meinung äußern? Wo wird eventuell die Grenze des Sagbaren gezogen? Ich bin kein Jurist. Zudem weiß ich, dass Juristen über diese Frage vortrefflich streiten können. Trotzdem kann mir eine Annäherung auf die Antwort gelingen, indem ich wiederum in das Grundgesetz sowie in die Menschenrechtsresolution blicke. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.“ (Art. 1 GG (1/2), „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ (Art. 5 GG (2)), „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ (Art. 1 AEMR), „Jeder hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeinem Unterschied, wie etwa nach Rassen, Farbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Herkunft, nach Eigentum, Geburt oder sonstigen Umständen. Des Weiteren darf keine Unterscheidung gemacht werden auf Grund der politischen, rechtlichen oder internationalen Stellung des Landes oder Gebietes, dem eine Person angehört, ohne Rücksicht darauf, ob es unabhängig ist, unter Treuhandschaft steht, keine Selbstregierung besitzt oder irgendeiner anderen Beschränkung seiner Souveränität unterworfen ist.“ (Art. 2 AEMR (1/2)) und „Niemand darf willkürlich Eingriffen in sein Privatleben, seine Familie, sein Heim oder seinen Briefwechsel noch Angriffen auf seine Ehre und seinen Ruf ausgesetzt werden. Jeder Mensch hat Anspruch auf rechtlichen Schutz gegen derartige Eingriffe oder Anschläge.“ (Art. 12 AEMR).

Ob nun durch die oben genannte Äußerung des Demonstranten die Rechtsgüter „Würde“ und „Ehre“ für Bill Gates verletzt wurden, mag jeder selbst und schließlich die Justiz urteilen. Meine persönliche Grenze des guten Geschmacks wäre jedoch weit überschritten.

Unter keinen Umständen toleriere ich die zutiefst antisemitischen und fremdenfeindlichen Äußerungen, welche die Wortführer solcher Anti-Corona-Maßnahmen-Demonstrationen massiv in einem Instant-Messaging-Dienst sowie während den Kundgebungen unwidersprochen verbreiten. Solche Aussagen sind weder mit den Grundlagen der Demokratie vereinbar noch im Rahmen des guten Stils. An dieser Stelle nehme ich Abstand von einer Nennung dieser Zitate und von einer Illustration solcher Bilder. Sie sind nicht nur widerlich, sie könnten für die Justiz noch bedeutend sein.

Aufgrund der im Charakter undemokratischen Äußerungen, die letztlich die großartige – für die Demokratie wesentliche – Meinungsfreiheit  missbrauchen, veröffentlichte das Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus diese Stellungnahme: „…Uns als Bündnis ist es wichtig, die Bürger*innen dafür zu sensibilisieren genau hinzusehen, von wem die Demonstrationen angemeldet werden und wer dort mitläuft. Es ist sowieso ein Wahnwitz, dass gerade die Feinde unserer Demokratie in Coronazeiten vermeintlich unsere Demokratie retten wollen. Wir möchten daher alle Bürger*innen dazu ermutigen, solche Demonstrationen und Kundgebungen kritisch zu hinterfragen und sich nicht von den Feinden unserer Demokratie instrumentalisieren zu lassen…“

Wann darf eine Demonstration verboten werden? Das entscheidet letztlich die Justiz. Der Meinungsfreiheit willen ist es angebracht, auch Demonstrationen mit antidemokratischen Meinungsäußerungen zuzulassen. Als Demokrat muss ich diese Tatsache aushalten. Dieses Dilemma lässt sich nicht so einfach lösen. Aber als Demokrat verspüre ich die Verpflichtung, antidemokratischen Äußerungen deutlich zu widersprechen. Ein solches Widersprechen ist wie oben bereits gesagt kein Maulkorb. Das muss mein Gegenüber ebenso aushalten. Auch wenn er mir unterstellt, ich würde ihm das Reden über sein Thema verbieten, indem er den sehr bekannten Satz sagt: „Das wird man doch mal sagen dürfen!“

Generell muss eine Demonstration immer ordnungsgemäß beim Ordnungsamt angemeldet sein und entsprechend den Auflagen (Bescheid gut durchlesen!) durchgeführt werden. Das dient letztlich auch dem eigenen Schutz. Die Polizei begleitet die Leitung der Demonstration im Vorfeld sowie in der Durchführung beratend und ggf. schützend. Den Anweisungen der Polizei ist Folge zu leisten. Sollte sich ein Antidemokrat oder ein lautstarker Gegner des Demozwecks in die Demonstration eingeschleust haben, darf die Demoleitung ihr Hausrecht anwenden und diesen des Platzes verweisen, ggf. mit polizeilicher Unterstützung.

Zusammenfassend möchte ich zurufen: Lasst uns gesittet streiten und unsere Meinungen austauschen. Vergessen wir dabei nicht die Würde und die Ehre all unserer Mitmenschen. All unser Tun möge vielmehr dem Leben dienen – auch einem Leben des guten Miteinanders!

Text: Hubertus Schaller, Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus


Weitere Informationen zum Bamberger Bündnis gegen Rechtsextremismus und Rassismus findet man unter www.bamberg-gegen-rechtsextremismus.de

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